Fenster-Sonnenuhr Solar

der AbiBall

Heimlich und hastig
entrinnt uns unbemerkt flüchtig das Leben.
- schneller ist nichts als die Jahre.
Wir aber dachten, es wäre noch soviel Zeit.

Ovid, 43 vor Christi - 17 nach Christi

Heute beginne ich auch mal mit einem Zitat, die eleganteste und bequemste Art einer Einleitung.
Selbst Ovid vor 2000 Jahren kannte mein Problem: die Jahre fliegen immer schneller dahin! Ich kann mich noch gut an den ersten Kindergartentag der Tochter erinnern. Ihr Heulen verebbte schlagartig, als sich die Krabbelgruppentür hinter Gattin und mir geschlossen hatte. Ich presste noch mein Ohr ans Holz und konnte deutlich die sorgfältig eingeübten Worte der Tochter hören:
"Hallo, ich bin Tamara, was geht ab?!"
Und ein Pöcks hatte geantwortet: "Du Blödmann stehst auf meinem Bild!"
Und schon sind die Jahre vorbei geflogen!
Heute ist der große Abiturienten-Ball! Da, wo in amerikanischen Filmen das Mädchen immer einen Begleiter haben muss, von dem sie vor dem Ball ein Blumenarmband geschenkt bekommt.
Selbstverständlich fährt man in einer geliehenen Limousine vor.
Wir werden heute Abend zu Fuß zur Halle latschen. Für die Tochter hatte sich nur ein Begleiter verbindlich gemeldet. Unser Praktikant Siegfried aus Simbabwe.
Ein alter Anzug von Edelmeyer passt ihm wie angegossen, nur einmal bei einer Beerdigung getragen, wie der Kollege versichert. Für ein blütenweißes Oberhemd nebst hellroter Krawatte haben wir zusammen gelegt, den Chapeau Claque hat Schwippschwager Martin beigesteuert. Eigentlich eine Ausrüstungsteil für eine mondäne Karnevalsfeierlichkeit auf einer Jacht in Monaco. Und vom Prinzip her albern. Das haben wir unseren Praktikanten aber nicht gesagt, er ist ja der Auffassung, dass Weiße nur verrückte Sachen machen und anziehen.
Aber, - bei der Kleiderprobe vorhin sind wir alle hintenüber gefallen. Wir hätten nicht gedacht, dass ein Schwarzer so elegant daher kommen kann!



bleibe mir gewogen,
Klaus

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Wissen die Leute eigentlich was sie quatschen, wenn sie den Mund aufmachen?
Kollegin fünf Büros weiter meinte gestern zu mir, wenn sie sehen würde, wie mein Edelmeyer die Kaffeemaschine die ganze Nacht eingeschaltet lässt, würde ihr das Blut aus den Augen kommen.
Erstens, - habe ich geantwortet, ist Edelmeyer nicht mein Edelmeyer.
Zweitens favorisiert gerade Edelmeyer ganz spezielle Kaffee-Rituale. Hier im Tagebuch nachzulesen.
Und drittens hätte sie Glück gehabt, dass das Blut nicht gestockt war. Sonst hätte sie übel schrubbeln müssen. Aber so sei an ihrem Make-Up nichts auszusetzen.
-Was für ein Blut?- fragte die dumme Kuh doch tatsächlich!
-Na, das Blut, das Ihnen beim Anblick der eingeschalteten Kaffee-Maschine aus den Augen gelaufen ist! Wie Sie eben gerade erzählt haben!"

Die gleiche Frau hat neulich auch in kleiner Runde verkündet, dass sie sich auf ihren Urlaub an schwedischen Mückengewässer freuen würde. Da könnte sie so schön die Seele baumeln lassen.
Iii! - Das hört sich aber gar nicht gut an! Baumeln tun Gehängte innerhalb der ersten 10 Minuten. Dann wird es allerdings ruhiger um sie. Und was die Kollegin machen würde, wenn die Seele abreißt. Seelenlose Heimfahrt?
Diese Metapher war nur ein einziges Mal lustig, als ein Reiseunternehmen sie frisch erfunden hatte. Nur einmal war sie lustig!
Ausschließlich Frauen quasseln solche leeren Worthülsen. Männer nie.
Ich werde das Thema jetzt beenden, sonst kriege ich noch so nen Hals!



bleibe mir gewogen,
Klaus

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Zwei haben zurück gelacht,
einer bleibt stehen Tag und Nacht.



bleibe mir gewogen,
Klaus

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der weiße Mann im Busch


Wir waren wieder mal den ganzen Vormittag mit unserem Umzug beschäftigt. Theoretisch.
Zum Beispiel sind Umzugskartons wesentlich teuer als man gemeinhin glauben will.
Als sich Kollege Edelmeyer einmal in sein Taschentuch schnäuzte, fand das Lachen unseres schwarzen Praktikanten kein Ende. Zugegen, - das Tuch war fliederfarben mit lila verdicktem Rand, aber das reichte allenfalls für ein Schmunzeln. Also sollte sich Siegfried erklären.
Ihm war bei diesem Anblick ein Lied aus seiner Krabbelgruppe in Simbabwe eingefallen:

Der Weiße Mann hat kein Gehirn
hinter seiner hohlen Stirn.
Er schnäuzt es in sein Taschentuch.
Gewissenhaft wird es untersucht.
Darauf faltet er das Tüchlein fein
und steckt das Hirn in die Jacke rein.




bleibe mit gewogen,
Klaus

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OberBayern Einsiedl

Uuups! Das gab aber eine Menge Zuschriften auf Edelmeyers Sommer-Prognose vorgestern! Das Wetter scheint viele Menschen zu beschäftigen.
Einige Kleingeister trauten aber nicht den Ameisen, andere hatten bessere Voraussagungen:

Hiltrude M. aus Wesel hat in ihrer Jugend auf dem Land gelebt (lebt sie doch immer noch?!). Ihr ist folgender Spruch geläufig, auf das Zutreffen gibt sie eine 98% Garantie.

Geht die Magd auf den Knecht
wird der Juli wieder schlecht.


Aus dem Elsässischen kam dieser Sinnspruch, ein pensionierter Lehrer kennt ihn aus der Schülerfibel:

Geht der Knecht auf die Magd
bleibt dem Bauer nur die Jagd.

Die nächste Bauernregel wurde aus Bayern zugeschickt, von Hubertus H. aus Einsiedl, der allerdings kein E-Mail-Konto sein eigen nennt. Computer hält er für einen Komposter. Der Text kam also per Postkarte, vorne drauf eine sehr dralle Heidi mit sehr viel Holz vor den Hüten. Und merkwürdigen weißlichen Klebeflecken.

Geht der Bauer auf die Frau
bleibt der Himmel den ganzen Juli blau.

Bleibt der Bauer bei der Ziege,
kommt kein Kind in die Wiege.




Hoffe, gedient zu haben,
Klaus

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Das Wochenende im Sauerland ist Kollege Edelmeyer gar nicht gut bekommen.
Er hat mir folgende Anzeige zur Korrektur vorgelegt:

"Junger, vegetarischer Nichtraucher gibt Samenspende. Der Vollzug findet in Natura in Essen statt. Keine fin. Interessen. Chiffre."

Da stimmt ja gar nichts dran, meinte ich zum Kollegen. - Doch, doch, er hätte gestern in der Rathaus-Kantine ein Soja-Schnitzel gehabt.
Und was ist mit jung? - Nun ja, verglichen mit Heesters oder Berlusconi wäre er doch sehr jung.
Ich fuhr fort: Das Wort Vollzug ist eher negativ besetzt, da sollte besser -Samenübertragung- stehen.
Und an welchem Finale hätte er kein Interesse? Will er es den Damen nicht gemütlich machen, sollen sie keinen Spaß haben?
Er meinte, das wäre eine Abkürzung für finanziell, aber ausgeschrieben würde die Anzeige im Coolibri 2,50 Euro mehr kosten.
Junge Frauen, die sich verzweifelt ein Kind wünschen, werden sich schon mal nicht bei ihm melden. Eher 40jährige, für die sein zweifelhaftes Angebot die letzte Chance ist. klärte ich ihn auf.
Dann würde seine Halbglatze ja auch nicht weiter stören, antwortete Edelmeyer.
Und neun Monate weiter werden viele kleine Kinder mit Haarkranz herum laufen! sagte ich.




Bleibe mir gewogen,
Klaus

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Der Wetter-Prophet aus dem Sauerland

Kollege Edelmeyer will wissen, wie der Sommer wird.
Wegen Camping.
In seinem weit gefassten Bekanntenkreis gibt es auch Wetterkundige. Zum Beispiel einen Mann, der im Sauerland auf einem Ameisenhaufen sitzt.
Nackend.
Anhand der Bisswütigkeit der Tierchen kann der sachkundige Fachmann Regen und Sonne im Detail vorher sagen.

Hier die Ergebnisse für 2013, so dass Du morgen im Reisebüro vorstellig werden kannst. Am besten diese feste Zusage hier ausschneiden und mitnehmen:

Ameisen in der Ritze
deuten hin auf große Hitze.
Klettern sie hinauf auf den Pillermann
stehen Regentage an.




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Klaus

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Schwiegergroßmutters Blaubeerenkuchen

Tochter, Gattin und ich waren heute zur Schwiegergroßmutter zum Kaffeetrinken. Es gab wie immer ihre berühmte Blaubeertorte. Es hat eigentlich auch noch nie etwas anderes gegeben. Dazu Unmengen Kaffee und Sahne.
Schwiegergroßmutter saß recht gemütlich in ihrem Schwiegergroßmutter-Sessel und meinte im Gespräch über die gestrige Abiturfeier wie beiläufig, dass sie jetzt ihr Ziel erreicht hätte.
"Wieso?" fragte ich etwas irritiert, "Die Tochter hat ihr Ziel erreicht! - Gut, du hast den einen oder anderen Daumen gedrückt, aber eigentlich hat sich die Tochter das Abitur selbst zu verdanken."
Da grinste Schwiegergroßmutter verschmitzt und meinte, jetzt könnte sie auch mal an sich denken, an ihr Ende. Sie hatte sich vorgenommen, solange durchzuhalten, bis die Urenkeltochter aus dem Gröbsten heraus ist. Und den weiteren Lebensabschnitt könnte sie sich nun für sich auf dem Terrassenfriedhof vorstellen. Wenn wir da auch ab und an mal vorbei kommen würden!"

Aber kopfschüttelnd verkündete die Urenkeltochter die nächste Neuigkeit. Sie will sich ein wenig in der Welt umtun. In drei Wochen ist ein Flug nach Süd-Korea gebucht. Einen Sprachkurs besucht sie ja bereits seit zwei Jahren, endlich sollen die Sprachkenntnisse auch angewendet werden.
Ja, stimmte die Gattin zu, mit Stäbchen kann sie schon perfekt essen. Wenn es nicht gerade Steak gibt oder Suppe.
Da grinste die Schwiegergroßmutter nicht mehr. Sie seufzte tief und sagte, dass sie dann wohl nochmal durchhalten müsste. Bis zur gesunden Wiederkehr der Urenkeltochter. Dabei fühlte sie sich wie jemand, der nach einem langen Tag das Bett herbei sehnt. Es würde ihr immer schwerer fallen, ein Gespräch oder eine Fernsehsendung zu verstehen. Gestern in der Kirche hätte sie kaum der Predigt folgen können.
Das war mir auch aufgefallen, sie stand immer auf, wenn sich die anderen gerade wieder setzten.




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Ja, die Tochter hat den Kreis ihrer Kindertage jetzt hinter sich gelassen, heute war die große Übergabe des Abiturs. Unter dem Motto: -How I got my ABI-. Soll eine TV-Serie sein.
Die Feier begann mit dem Abi-Gottesdienst in der restlos überfüllten Kirche. Obwohl die Schule rein städtisch ist. Aber, das darf man nicht vergessen, Essen-Borbeck ist zu 99 Prozent erz-katholisch. Und das 1 Prozent bin ich. In den ersten Jahren habe ich mich ja noch gewundert, warum die Eingeborenen sogar beim Betreten von Schätzlein (jetzt Kaiser's, aber der Name bleibt!) ein Kreuz schlagen und niederknien. Ich hatte das anfangs auf die Preise bezogen.

Jeder Angehörige sollte zu Beginn des Gottesdienstes einen frommen Wunsch für die frischen Abiturienten notieren, diese Zettel wurden eingesammelt und später an alle Besucher verteilt. Schwiegergroßmutter saß neben mir, ich musste ihr meinen Stift leihen. Sie schrieb: "Auch von deiner Urgroßmutter alles Gute für die Zukunft!" Wäre interessant, das Gesicht des annonymen Empfängers zu sehen. In der Tat hat nach dem Gottesdienst ein Besucher sehr lange in den Himmel geschaut.
Aber nicht allzulange, denn es ging geschlossen weiter in die Aula des Gymnasiums. Nach vier weiteren Stunden hatten auch hier alle eine Rede gehalten. Der Verein der Ehemaligen , der Verein der Zukünftigen, die Elternpflegschaft, der Vorsitzende der Freiwilligen Feuerwehr (hatte sich verlaufen), der Direktor, die stellvertretene Direktorin, der Religons-Lehrer, der Hausmeister (irgendeine Durchsage wegen Falschparker) und so weiter. Als Lückenfüller diente das Klavierspiel irgendeiner 5-Klässlerin, mit einer sehr freien Improvisation über das Thema -für Elise-.
Völlig ausgehungert sind wir dann in einem Großraumtaxi zum Anwesen von Schwippschwager Martin nach Rüttenscheid hinaus gefahren.
Ach ja, das Zeugnis gab es auch zwischendurch.



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Kulturpfadfest im Regen

Das KulturPfadFest

Heuer ist Kulturpfadfest
es findet statt bei Regen.
So sind wir alle leicht durchnässt,
da hilft nur viel bewegen.

Wir tanzen durch die Vau Ha Es
zu Zamba Zumba Klängen.
Was uns den Regen vergessen lässt.
Wir tanzen in allen Gängen.


Kulturpfadfest ohne Regen in der VHS

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Verkaufsstelle der Primaten: Der PRIMARK

Der PRIMARKER

Ich bekomme zwar viele E-Mails, aber nie eine nette. Immer nur Kritik. Zum Beispiel, warum ich den Primark neulich so explizit genannt hatte. Das würde schon an Schleichwerbung grenzen.
Nun, - hat irgendjemand schon mal irgendwo Werbung für PRIMARK gesehen? Machen die nicht, das Geld steckt sich der Besitzer Weston lieber in die eigene Tasche (er ist inzwischen reicher als die Queen).
Die brauchen auch keine teure Werbung zu machen, weil haufenweise junge Mädchen ihre Papiertüten in YouTube auspacken. Die definieren sich über die hippen Klamotten zu Cent-Preisen. Die Näherin bekommt nur 39Cent pro Jeans. Wenn sie einen festes Monatsgehalt von 50.-Euro bekäme, würde die Jeans nur um 12 Cent teurer werden.
Aber Kinderarbeit kann man PRIMARK nicht mehr vorwerfen.
Wie der Name schon sagt, sind sie jetzt vollständig auf PRIMATEN umgestiegen. So eine Affenhorde hat Unmengen von Freizeit, da der Busch fernsehtechnisch kaum erschlossen ist.
Und feine Handarbeit liegt Schimpansen und Orange-Utans in den Genen.
Deshalb sollten Affen auch nicht mehr wild geschossen werden, denn der Umsatz der Klamotten ist riesig.
Jeden Samstag ab 16:00 Uhr setzt die Bundesbahn den PRIMARKER gen Bottrop ein. Unbeteiligte Fahrgäste fühlen sich wie im Altkleider-Container, denn in der Holper-Kurve Borbeck-Süd, kurz nach dem Tunnel, reißen immer die Böden aus den dünnen, schlichten Papiertüten. Und der Ramsch verteilt sich im ganzen Zug.
Für die weiblichen Kiddies ist das noch einmal eine Freude, denn man kann wieder ausziehen, anziehen, anprobieren, Handys als Spiegel halten, kichern, Fotos verschicken und einsacken.




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Ich habe den größten Kaffee-Pot

Es wird mal wieder Zeit, meinen famosen Kaffee-Pot ins Spiel zu bringen. Auch wenn sie aus Talkshows und
Frühstücks-Fernsehen nicht mehr wegzudenken ist, soll sie hier im Zusammenhang mit dem berühmten KulturPfadFest der Stadt Essen erwähnt werden.
Es gab wieder einmal viele neidische Blicke von den Vertretern der Synagoge, vom Aalto-Theater, vom Dom, als ich den Konferenzraum in der obersten Etage betrat. Die Kultur-Dezernentin hatte eingeladen, um kurz vorm Start alle Punkte noch einmal abzuklopfen.
Ihre kleine Tochter war auch anbei, für den Kindergarten ist sie wohl zu jung. Natürlich rannte sie gleich unter den Tischen freudestrahlend auf mich zu, laut "Suppenmann!" rufend. Wie man Stühle rückt, wusste sie noch von der letzten Begegnung, raufheben musste ich sie allerdings.
So saß sie bei dem Meeting neben mir und wir folgten sehr interessiert dem PowerPoint-Vortrag von Kollegen Edelmeyer zu verschiedenen technischen Problemzonen.
Wer Edelmeyer kennt, weiß, das man seine Vorträge auch gut als Einschlafhilfe verwenden kann. Aber Dorothée behielt den interessierten Gesichtsausdruck lange bei, man muss allerdings bedenken, dass für so einen kleinen Menschen alles neu und spannend ist. Auch Edelmeyers ewige Litaneien über die Breite eines deutschen Fluchtweges. Amerikanische Fluchtwege sind natürlich breiter, aber die essen ja auch viel mehr Fastfood. Das nur mal so nebenbei.

Irgendwann aber war Dorothées Bereitschaft zu leiden überschritten und sie wollte lieber spielen. Papier hatten wir reichlich an die Hand bekommen, also bastelte ich ihr aus der Fluchtwege-Übersicht der Volkshochschule einen Breitmaulfrosch. Mit Daumen und zwei Finger konnte ich ihm Leben einhauchen.
Wir spielten jene dramatische Szene nach, in der der Breitmaulfrosch einen kleinen Vogel fängt. Der Part des Vogels wurde natürlich von Dorothées kleiner Babyhand übernommen. Jeder Theaterkritiker hätte bestätigt, dass sie in der Rolle aufging. Immer wieder sprang der dicke Frosch nach dem Vögelchen. - "Wittelsbach, Sie hatten doch zu Punkt Sechs eine andere Meinung geäußert, nicht wahr?"
Der Frosch sprang daneben und rutschte ab.
Punkt Sechs? Und ich sollte eine Meinung gehabt haben? Wo war denn das Papier? Ach so, das Blatt war zum Frosch mutiert. Ich wollte ihn auseinander falten, aber Baby Dorothée plärrte protestierend los. Wie auf Knopfdruck.
Also ran an Edelmeyers Mappe. Doch der lehnte völlig erschöpft von seinem Vortrag mit dem Ellenbogen darauf und war sichtlich weggeschlummert. Die Dezernentin schaute ungemütlich herüber. "Nun, was ist Wittelsbach? Wir haben auch noch andere Termine!"
Mit einem beherzten Ruck zog ich Edelmeyers Mappe an mich. Allerdings stand meine Kaffeetasse etwas ungünstig.
Sie stürzte um und ergoss sich in nördliche Richtung.
Eine normale Kaffee-Tasse wäre nur umgepurzelt und es hätte einen kleinen Kaffeefleck gegeben.
Mein Kaffee aber schwemmte über die Tische, wie die Ruhr nach der Möhnetal-Staudamm-Sprengung anno 1943.

Erst überflutete sie die Synagoge, dann riss sie Bleistifte der Erlöserkirche mit sich und versickerte schließlich in den Unterlagen des Grillo-Theaters. Unser Breitmaulfrosch kam am weitesten.
Es gibt nichts Schöneres, als unbeschwertes, laut glucksendes Kleinkinderlachen. Sie klatschte sogar in die Hände, wobei sie auch drei oder viermal traf.
Und es war unvermeidlich, dass Dorothée sich vor Lachen in die Hosen machte.



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Die gute alte S9

Man sollte diese Titelzeile nicht zu schnell lesen, da könnte man der einen oder anderen Blombe verlustig werden.
Es handelt sich um die Bahnlinien, die fußläufig (wunderbares Wort, möchte dem Erfinder gerne mal die Hand schütteln), vom Haus aus zu erreichen sind.

Vom Borkener abgesehen handelt es sich immer um die gute alte S9. Der typische, gemeine Borbecker bezeichnet sie logischerweise als Borbecker. Weiter ist er ja auch noch nie gefahren, er vermutet hinter der Kurve die Endstation im Depot. Kurz vor dem Kanal, der für die Eingeborenen von Borbeck die Grenze zur Wallachei bedeutet.

Der Bottroper hingegen sieht sich selbst in erster Linie als Hauptnutzer dieser Linie, die Borbecker dürfen nur gnädigerweise die ersten drei Stationen mitfahren. Unter den Bottropern ist die Linie übrigens auch unter dem Namen Der PRIMARKER bekannt. Denn dieses verarmte Volk muss dann und wann nach Essen-City, um sich neu einzukleiden.

Einige wenige Male am Tag verkehrt der Borkener-Zug, der tatsächlich ggaannzz weit aufs Land hinaus fährt.
Da, wo die Hinterwäldler alle die gleiche Nase und die gleiche Hasenscharte haben. Dort, wo das Land so flach ist, dass die Eingeborenen heute noch wissen, dass sie auf einem Würfel leben. Sie fahren auch nie weiter als bis nach Essen, denn sie kennen nicht die Kantenlänge des Würfels (man will ja nicht im Freien Fall durchs Weltall trudeln).

Der Borkumer-Zug hingegen ist mehr virtuell. Das sagt man Freitags im Rathaus, "Ach, ich würde jetzt so gerne mit dem Borkumer auf die Insel fahren!"
Vielleicht kann man die Strecke wirklich mal verlängern?



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"Eine bundesweite Serie von Schüssen auf Autotransporter ist aufgeklärt!" steht in der Zeitung.
Ein LKW-Fahrer hat sich als Autohasser geoutet.
Das ist nachvollziehbar.
Nichts ist nerviger, als die neuartigen, PS-schwachen Autos, die nach einem Überholvorgang erschöpft zwischen zwei LKWs schlüpfen.
Nun hätte man davon ausgehen können, dass er jeden dazwischen gedrängelten Autofahrer einfach abknallt. Das ist natürlich nicht sehr effektiv. Besser ist, die Autos kommen gar nicht erst auf die Straße. Also hat er sich auf Autotransporter spezialisiert. Mit einem Kopfschuss gleich 25 Autos eleminiert!
Das ist so, als hätte ich etwas gegen Biertrinker und würde Spinnmilben im Hopfen-Anbaugebiet aussetzen.
I - bewahre, keine Angst, das war nur ein Gedankenspiel!
Oder ich hasse Fußball und würde das Patent für Rollrasen aufkaufen und in den Grill schmeißen.
Oder, - das ruft jetzt der ungezogene Neffe vom Flur herein, - das ist so, als würde er Computer-Tagebuch-Einträge hassen und er würde daher alle Atomkraftwerke anzünden! Und das eine oder andere Windrad umwerfen!
Das wäre auch nicht schön.



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Klaus

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