Die Wies, Wallfahrtskirche im Pfaffenwinkel

Da es heute nicht so sommerlich aussah, machten wir eine dieser üblichen Busfahrten mit. Es sollte auf die Wies gehen. Wie erheiternd waren die Momente, als wir tatsächlich erst durch Oberammergau und dann durch Unterammergau fuhren! Ich hatte beides für Orte aus einer Fantasie-Liederwelt gehalten! Übrigens war ich der einzige, der daran seinen Spaß hatte. Gut, - die anderen im Bus waren allesamt vergreiste Rentner ohne Teilnahme an der Umgebung, ohne jede Gesichtsmimik.
Es ging dann aber gar nicht nach München auf die Wiesn, sondern zu einer einzigen Kirche. Beinahe zwei Stunden Fahrt, mit Inkontinenz-Pausen, für eine einzige Kirche!
Da hatten wir in Rom aber mehr in der gleichen Zeit gesehen! Und vor allen Dingen seriösere Bauten! Die Wies-Kirche gilt als Comic-Kirche. Predigten finden hier natürlich nicht statt, kein Gläubiger könnte sich bei dem visuellen Überangebot auf die Worte des Pfarrers konzentrieren! Die Dachkuppel war original eins zu eins vom Hardrock Cafè in Rom kopiert.



Neben mir kam einer unserer Rentner zu stehen und der wusste einfach alles. Wie so oft hatte man vor Jahrhunderten bei einer Statue Tränen unterhalb der Holzaugen entdeckt. Sofort wurde eine Kirche rundherum gebaut. Mitten auf dem Acker. Mein Rentner wusste auch, wer und wie oft die Orgel umgebaut worden ist und in welcher Tonfolge die sieben Glocken gestimmt sind. Er war natürlich Geschichtslehrer im Ruhestand. Und Lehrer gehen nie wirklich in Pension.
Durch einen glücklichen Umstand kam er im Bus auf der Rückfahrt neben mir und Gattin zu sitzen. Nach einer gefühlten Viertelstunde waren wir schon wieder zurück, soviele Geschichten konnte er erzählen. Für die nächste Woche haben wir uns zu einer weiteren Busfahrt nach Schloss Neuschwanstein verabredet.



bleibe mir gewogen
Klaus

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Buckelwiesen

Heute sind wir einfach mal mit unseren Fahrrädern einen flachen Hügel hinterm Haus hochgefahren. Genannt -Die Buckelwiesen-. Ich bin gefahren, die Gattin hat gleich geschoben. Gut, - zwei Meter, in Höhe einer kleinen weißen Kapelle, verweigerte mein Fahrrad auch seinen Dienst, auch ich musste schieben. Oben aber erwartete uns ein schöner waagerechter Weg, mit Rundumblick;
Barmsee, Karwendel, Alpspitze, Zugspitze, Dreitorspitze, Wettersteinspitze.


Buckelwiesen Detail


Buckelwiesen mit Schmalsee

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Kirche, Mittenwald

Finde ich kein Mädchen zum Pläsier

Endlich, endlich treffen wir in Mitten-Im-Wald ein, heutzutage auch modern zu Mittenwald verkürzt.
Hier hatte meine Freundin damals vor genau neununddreißig Jahren mit mir Schluss gemacht. Auf den Tag genau vor 39 Jahren!
Wie die Zeit vergeht!
Da fällt mir doch wieder mal ein Zitat von Ovid* ein, um auch diesen kleinen Eintrag literarisch aufzuwerten:
"Und das Alter kommt herbei mit lautlosem Schritt und streckt aus die Hand."
Eigentlich passt der Satz doch nicht, denn von Alter kann hier keine Rede sein. Das Zitat geht noch weiter, mit zerstörter Schönheit und so, aber das trifft hier auf keinen zu. Gattin und ich erfreuen uns schönster, zeitloser Schönheit! Die jungen Frauen wissen das zu würdigen, verstohlen schauen sich in Schaufensterscheiben nach mir um. Gattin meint allerdings, die würden einfach nur ihr MakeUp kontrollieren, denn bei der Hitze sieht man schnell ramponiert aus.



Haus, Mittenwald

In Mitten-Im-Wald ist alles so wie damals geblieben. Mehr oder weniger.
Hier das Lokal, wo ich meine allererste Pizza gegessen hatte. Auf dem Rückweg aus Italien, dort kannte man dieses Gericht noch gar nicht. Saulecker, ich weiß heute noch, wie ich sie genossen hatte. Genossen hätte, wenn das Ende mit Melanie und mir nicht gewesen wäre. Auf der Rückfahrt, nachdem wir Italien, Frankreich, und Niederlande erfolgreich geschafft hatten! - Oha, - jetzt nehme ich meinem YouTube-Kanal zuviel vorweg.
Schauen wir uns weiter um: die hübsch angemalte Kirche, das würde in Norddeutschland gar nicht gehen. In Süddeutschland auch nicht.
Das Wirtshaus, in dem der überbewertete Goethe einmal kurz genächtigt hatte. "Finde ich kein Mädchen zum Pläsier, nehme ich einen Jungen mir!" Nach Constanze Buff war Goethe liebesmäßig alles egal gewesen.
Und über die Stadt und das Land wacht gewaltig der Karwendel, einer der drei höchsten Gebirge der Welt!
Da wollen wir in den nächsten Tagen hinauf!

*Ovid, geboren 43 vor Christi, gestorben 17 Jahre nach Christi



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die tobende Isar

Eine E-Mail hat mich erreicht. Was denn der verrückte Traktor mit meiner YouTube-Filmerei zu tun hätte.
Wie schon erwähnt hat der Traktor hier in Oberbayern einen ganz besonderen Stellenwert. Zum Beispiel benutzt man ihn auch gerne zum Angeln. Man hält sich gut fest, und dann geht es quer gegen die Strömung durch die Isar, ein reißender Gebirgsfluss. Vorne in der Baggerschaufel hatten wir dann drei Forellen und einige Kieselsteine. Die Fische wurden direkt in der Wasserwanne nach Hause in die Küche gefahren, mit den Steinen konnte der Weg zum Komposter weiter aufgefüllt werden.
Und das Schöne an dieser praktischen Angelweise ist die Tatsache, dass man keinen Angelschein braucht. Daher hat man auch noch nie einen Ober-Bajuwaren mit Angel gesehen, die wissen nicht einmal was das ist (siehe auch Bayer und Nordsee).


ortsübliche Isar-Überquerung für Kleinstkinder und alte Frauen

Auf beiliegenden Foto sieht man Eingeborene bei einer ortsüblichen Isar-Überquerung. Menschen ohne Traktor, also Kleinst-Mädchen, Schulmädchen und alte Frauen kommen auf diese Weise gut zurecht. Gut, - einen nassen Arsch muss man immer mit einkalkulieren, besonders bei Hochwasser (beim Traktor natürlich auch). Brücken über die Isar wird man vergeblich suchen, denn die werden jedes Frühjahr von den Fluten hinweg gerissen.




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mit dem Traktor auf den Berg 01


mit dem Traktor auf den Berg 02

"Jo mei, i kletter doch net zu Fuaß aufn Berg nauf! Dofüa is doch a Traktoa do!" fügte der Herbergsvater seiner Einladung hinzu. Wir verstanden ihn natürlich nicht, wir ahnten nur, dass er uns auf seinen eigenen Hausberg mitnehmen wollte. Da er eine Kettensäge anbei hatte, konnte man sich denken, was er dort zu tun hatte. Holz für den Grill holen. Und in mir sah er wohl ein rechtes Mannsbild, was den Klaffter ins Tal schleppen konnte. Was soll's, im Urlaub macht man alles mit, nur so erweitert sich der Horizont!
Es gab aber keine zünftige Bergwanderung, sondern ein mühsames Sich-an-den-Traktor-Klammern-sonst-wirst-du-von-seinen-dicken-Reifen-zermalmt.
Wenn man mal genauer darauf achtet, sieht man niemals Eingeborene, die sich die Wanderwege empor schleppen, oder mit dem Drahtesel die Knie kaputt machen. Ab sechs Jahre hat hier jeder Bub seinen Traktor. Ob zum Brötchenholen oder zur Fahrt in die Dorf-Disco, stets ist man mit dem Traktor unterwegs, der zu Hause traditionell im Wohnzimmer eingeparkt wird. Deshalb sieht man auch niemals einen Bayer an der Nordsee.
Wenn er mit seinem Traktor dort ankommt, sind die Ferien um.
Der Traktor schaffte übrigens jede Steigung, ja selbst Überhänge nahm er mit Freude, während ich nur noch mit den Händen Kontakt zum Seitensitz hatte, alldieweil meine Beine weit über mir, also unter mir über einen Kilometertiefen Abgrund baumelten.
Die nächsten zwei Tage findet man mich zum Erholen am Grubsee, Montag melde ich mich zurück!




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Brotzeit mit Aussicht

Bei der Hitze geht nur der Grubsee!
Liegt unterhalb des Barmsees, der aber etliche Grad kälter ist. Heidi hat mich mit einem alten,strammen
LKW-Schlauch ausgestattet, der mir auf der Fahrradtour ins Freibad um die Hüften sitzt. Ich sehe dem Michelin-Männchen verblüffend ähnlich.
Gattin lacht und Leute gucken.
Als ich ihn aber in den See werfe, sehe ich nur in Neid erfüllte Augen.
Als ich hinein hechte, werde ich längst vom abstehenden Ventil aufgeschlitzt.
Ich krieche zweigeteilt wieder an Land.
Die Leute gucken woanders hin.
Wie heißt es so schön in der alten Weise von Walther von der Vogelweide:

Bolle war auch mal am Grubsee
mit einem Gummischlauch.
Dort wollte er ins Wasser,
Das ist am See so Brauch.
So sprang er durch den Reifen
und wurde massakriert.
Aber dennoch hat sich Bolle
ganz köstlich amüsiert!
Aber dennoch hat sich Klausi
ganz köstlich amüsiert!


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Lüftlmalerei A


Lüftlmalerei B

Mein gestriger Eintrag erzielte ein paar dürftige, wenngleich widersprüchliche E-Mails. Nein, die Bilder wurden einwandfrei zugeordnet, das ist nicht das Problem. Es geht vielmehr um den Geschmack.
Die einen halten die Verzierung von Essen-Fronhausen für weltoffen, für Weltkunst; und die Bemalung Krüns hingegen für verklärte, verkitschte Romantik. Um unsere Meinung zu vertiefen, füge ich weitere Lüftlmalerei aus Krün bei. Unter anderem auch einen Sprayer, den ich direkt bei am Objekt erwischt habe!
Ich finde, für beide Malstile ist genug Platz auf dieser Welt. Und Brauchtum hat ja durchaus einen Sinn:
eine verlässliche Stütze in unserem chaotischem Leben.



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Sprayer auf frischer Tat erwischt!




Lüftlmalerei C

Graffiti A

Letzte Woche haben wir uns Krün vom Schwarzkopf aus angeschaut, heute ging es ins Detail. Auffällig ist der hiesige Umgang mit Graffiti, ich glaube, das sollte ich lobend erwähnen. Hier wird anders gesprayed als in Essen-Frohnhausen. Obwohl gerade die Graffiti in Essen-Frohnhausen gerne in jedem Ruhrgebiets-Führer erwähnt wird. Ich selbst habe schon öfter weit angereiste Japanesen in Essen-Frohnhausen gesehen, wie sie dort ehrfürchtig mit ihren kleinen Knipsdingern deutsches Kulturgut einfangen. Aber, wie gesagt, Krün ist auch nicht übel. Versuche bitte, die beiden Bilder den Orten zuzuordnen.



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Graffiti B

Krün

Das Wochenende haben wir einfach nur abgehangen. Und schon alle Postkarten geschrieben. Und gegrillt. Und Gitarre gespielt. Die Herbergsmutter Heidi hat nämlich eine ganze Sammlung, wie wir erst gehört und dann gesehen haben. Wir haben direkt mal angefragt, ob wir zünftig mitspielen dürften.
Wir kannten sogar ein paar Lieder gemeinsam. Zum Beispiel mein Lieblingslied: Heut kommt der Hans zu mir, freut sich die Lies.
Ihre Buben spielen im Trachtenverein Glockenspiel und Trommel, das harmonierte ganz prächtig. Gut, - die Trommel haben wir ihm dann weggenommen, er durfte des weiteren Kammblasen. War auch schön.
Heute haben Gattin und ich erst einmal Krün an sich in Augenschein genommen. Der Supermarkt am Rande des Dörfleins ist ja riesig. Vorher hatten wir uns aber Fahrräder ausgeliehen. Mit Einkaufskorb unterm Lenker.
Was der normale Mensch gar nicht weiß: zwischen den Bergen ist Oberbayern völlig flach. Also ideal zum Radeln! Wenn dann nur die Berge nicht wären. Dann wäre Oberbayern ideal.



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unser Hausberg Schwarzkopf

Der Hügel hinter Krün heißt Hausberg. Nichts besonders, vor dem zweiten Frühstück sind wir wieder zurück.
Gut, dass Gattin zwei Müsli-Riegel, eine Flasche Wasser und ein Ludwig Dunkel eingepackt hatte!
Krün ist ja für seine Wachsenden Berge bekannt, wie wir spät in der Nacht bei unserer Heimkehr erfuhren.

Je gemütlicher man dem harmlosen Wanderweg hinauf folgt, umso mehr erhebt sich der Berg in die Höhe. Das Phänomen der Scheinriesen wird ja jetzt erst so richtig erforscht!


Hausberg, Schwarzkopf-Hüttlebachklamm

Ist man dem Weg in den Berg erstmal weit genug gefolgt, verirrt man sich in einer fremden Welt.
Tiefe Schluchten tun sich auf, reißende Wasser rauschen knapp an deinen Füßen vorbei, riesige Schlangen lauern auf den Wanderer,


Hausberg Schwarzkopf-Hüttlebachklamm Schlange

Äste versuchen dich festzuhalten oder in die Klamm zu stürzen, Steinbrocken toben direkt an dir vorbei


Hausberg Schwarzkopf Baum greift an

in die Tiefe, man hört noch lange das Krachen und Splittern und dann den röchelnden Todesschrei einer Hangkuh.
Nass geschwitzt kamen wir oben an. Erstaunlicherweise war schon jemand vor uns dagewesen, denn am Bergesrand stand eine Holzbank. Wenn man saß, war der Kopf unterhalb einer Cirrocumulus-Wolke, stellte ich mich auf die Bank, war ich oberhalb der Wolke.
Ich blieb natürlich sitzen.


unser Hausberg, Aussicht über Krün

Die Aussicht wurde nur durch die Krümmung der Erde begrenzt, in der Nordsee konnte ich durch meinen Feldstecher sogar einzelne Inselgruppen unterscheiden.
Die Gattin meinte allerdings, das wäre der Barmsee, der hinter Krün liegt.




bleibe mir gewogen, morgen und am Sonntag gibt es keinen Tagebuch-Eintrag, da werden wir einfach nur abhängen!
Klaus

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Krün und Schwarzkopf, unser Hausberg

Es soll Menschen geben, die jedes Jahr am gleichen Ort Urlaub machen. Ich wiederhole das: jedes Jahr Urlaub am gleichen Fleck!
Ich gehe davon aus, dass diese Leute es einfach aufgeben haben.
Die Auswahl ist zu groß! Siebengebirge! Riesengebirge! Deister!
Wir waren noch nie am gleichen Ort zweimal, trotzdem werden wir Deutschland in diesem Leben nicht mehr schaffen. Wenigstens die Inseln haben wir alle durch, abgesehen von Neuwerk, aber die nehmen nur einen Gast pro Sommer auf.
Und wir sind die einzigen Deutschen, die den Harz immer noch nicht besichtigt haben (außer mit der Schule eine Woche Clausthal-Zellerfeld, aber das zählt nicht mehr).
Jetzt sind Gattin und ich nach einer endlosen Bahnfahrt in Oberbayern angekommen, um uns auch hier mal um zuschauen.
Als siebzehn-Jähriger war ich vier Tage in Mitten-im-Wald gewesen, am Ende einer Interrailfahrt, irgendwie war ich mit meiner damaligen Freundin dort hängen geblieben. Die Tage waren nicht schön gewesen, was sich aber weniger auf den Karwendel bezieht, als auf jene Freundin.
Auf meiner Klaus-Wittelsbach-Erinnerungs-Tour haben wir nun nahebei in Krün ein Ferienhaus. Unsere Herbergs-Mutti im Haupthaus heißt Heidi, ein in den Bergen sehr beliebter Name.

Blick von unserem Balkon

Noch vor zwei, drei Jahren wären die Kinder auch dabei gewesen, aber der Neffe hat Vorlesungen an der Uni und die Tochter organisiert ihr Studium. Dann fliegt sie in die weite Ferne. Obwohl sie auch noch nie im Harz gewesen war!
Gattin und ich müssen uns wohl oder übel daran gewöhnen, immer öfter alleine zu verreisen.
Machst Du gerade ähnliche Erfahrungen, schreibe mir:
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bleibe mir gewogen,
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Dorothée und der Waffel-Express


Auch Cheffe war ganz verdattert.
Die Kultur-Dezernentin hatte mich angefordert! Um sie zu einer wichtigen Kulturfach-Tagung nach Mülheim zu begleiten. Als ihr persönlicher Assistent.
Vor Ort wurde dann aber schnell klar, dass ich nicht ihr assistieren sollte, sondern ihrer zweijährigen Tochter. Weil Dorothée so gut mit mir zurecht käme! Der Suppenmann!
Na toll!
Babysitter. Obwohl ich die Kleine ja recht ins Herz geschlossen habe. Außerdem musste ich Edelmeyer und Cheffe hinterher ja keine Details erzählen, oder?
Der Vortragssaal war groß, anwesend waren mehr oder weniger nur die Kultur-Dezernenten von Duisburg, Oberhausen, Mülheim und Essen. Dorothée und ich vergnügten uns mit einer Holz-Eisenbahn. Und mit leckeren Mana. Den Teller mit den Waffeln hatte Doro nicht nur entdeckt, sondern auch fein ordentlich anbei geschleppt. Beziehungsweise als Gütertransport deklariert.
Konnte ich ihr ja schlecht wieder wegnehmen. Hätte nur Lärm gegeben und wer weiß, vielleicht braucht sie gerade das wichtige Schokoladen-Protein für ihr Wachstum. Kleinkinder wissen immer was ihnen gut tut.
Baby Doro wusste es nicht.
Sie übergab sich erst ein wenig, dann bollerte sie die Windeln voll.
Obwohl sie nichts sagte, wusste Mama Kulturdezernentin sofort Bescheid. Alle wussten Bescheid, den Gestanks-Schwaden konnte niemand ausweichen.
Also verschwanden beide Richtung WC und Wickeltisch.

Und alle Funktionsträger schauten mich an. Man war an einem gewissen Punkt angelangt und wollte das Essener Statement hören. Ich als persönlicher Assistent von Dorothée wäre wohl bestens im Bilde. Oder?
Selbstverständlich, stotterte ich. Man wollte ja nicht nur als Babysitter auftreten.
Welche Punkte wären denn noch nicht klar?
Theater, Oper, Volkshochschule.
Die Oper? Wann war ich da zuletzt gewesen? Theater? Aber in der Volkshochschule war ich gerade anlässlich des Kulturpfadfestes gewesen.
"Das Kulturpfadfest in der Volkshochschule!" murmelte ich.
Jaja, - stimmten mir alle zu, ein Fest, das weit über alle Grenzen hoch gelobt wird!
Die VHS ist ein sehr großzügiger Bau, modern eingerichtet, noch ganz neu. Die braucht keine Hilfe von anderen Städten.
Keine Fusion? fragte einer der Amtsträger traurig nach.
Keine Kernfusion. Ich dachte automatisch an Wasserstoffbomben. Das wollen wir auf keinen Fall.
Die Herren nickten, diese niederschmetternde Antwort hatten sie erwartet. Die besser aufgestellte Stadt Essen will nichts abgeben!
"Theater?" fragte einer zaghaft.
"Ja, Theater. Da kann man doch etwas machen!"
"Eine DOME-Kooperation?"
"Sicher. Kooperation ist immer gut!" sagte ich. "Jede Stadt übt ein Theaterstück ein und dann geht man reihum auf Tournee. So dass jedes Theater mit einem Schlag schon mal vier Stücke im Programm hat. Und dann kommt ja die lange Sommerpause!"
"Die Sommerpause! Da führen wir immer ein altbewährtes Musical auf, dass Geld in die Kassen spült!"
"Jedes Jahr stellt eine andere Stadt ein Musical auf die Beine und auch das wird reihum weiter gereicht!" schlug ich vor. "Rocky Horror Picture Show geht immer. Das kann man jedes Jahr aufführen. Es reicht, wenn Essen das übernimmt und an den Einnahmen in jeder Stadt beteiligt wird. Und mit dem Aalto-Theater machen wir das genauso. Ein Stück pro Spielzeit und dann in allen Spielstätten abgeliefert!"
"In der Tat, durch solche Synergie-Effekte sparen wir eine Menge Geld!" Die Herren nickten zufrieden. "Wie ist denn noch gleich Ihr hochgeschätzter Name? Ist mir gerade entfallen!"
"Wittelsbach, einfach nur Wittelsbach!"
"Wer so einen Assistenten sein eigen nennt, kann sich glücklich schätzen!" raunte einer der Herren den anderen zu. Gerade noch so laut, dass ich es hören konnte.
Die große Dorothée, also die Kultur-Dezernentin, vernahm es auch, aber ihrer Miene war abzulesen, dass sie darüber etwas anders dachte.
Die kleine Dorothée hingegen rannte glücklich auf mich zu, laut Suppenmann rufend. Aber heute klang es verdammt nach Supermann, oder?





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Klaus

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Essen, Hauptbahnhof

Wenn ich König von Deutschland wäre, - und bei meinem Namen fehlt da ja nicht viel, dann würde ich sofort zwei Sachen verbieten. Saufen und Telefonieren in der S9!
Es ist nicht schön, wenn die Tussie an der gleichen Haltestange neben dir gerade erfährt, dass ihr Macker keine gemeinsame Zukunft mehr sieht. Wobei er nackt auf seinem Bett liegt, die neue Blondine sich bereits im Bad grundreinigt und die unglückliche Tussie an meiner Schulter hängt.
"Wir können doch noch mal über alles reden! - Ja, ich weiß. - Das sehe ich ein! Aber ich kann mich ändern. - Ich werde in Zukunft - keine Zukunft mehr? - Wir haben doch schon die Möbel ausgesucht! - Ich kann an mir arbeiten! - Ich weiß, meine Eifersucht ist völlig unbegründet, ich bin jetzt auf dem Weg zu dir - Nein?"
Und so weiter und so weiter.
Hätten sie das Rammeln vorgestern nicht mal ausfallen lassen können und stattdessen besser ihre Beziehung sortiert? Aber nein, - vor aller Welt muss sie nun ihren Schiffbruch kundtun, und alle umstehenden Pendler aus ihrer Dienstschluss-Dösigkeit wecken!
- Moment, - jetzt geht gerade MEIN Handy. Das hat doch schon seit Wochen nicht mehr geklingelt!
Meine Schwester Monika ist dran. O-Gott, ihr Freund hat Schluss gemacht, ich bin der erste Ansprechpartner, den sie erreichen kann.
Das war sowieso schon immer ein Arsch gewesen, sage ich in das Handy hinein. Da die Schwester in Hannover wohnt und die S-Bahn gerade Essen-Borbeck-Süd erreicht, muss ich etwas lauter sprechen.
Das war doch schon immer ein Arschloch, schreie ich in das Handy. Wie er mir gleich beim ersten Treffen jovial auf die Schulter klopft und seine letzten Bettabenteuer aufgezählt hat! - Bettgeschichten! Ja, mit wem er es so treibt! - Deine beste Freundin, - Hoppla, - nein, - das war die S9, die macht hier immer so einen Schlenker, - ja so ein Arsch!
Ach so, dein Lebensgefährte hat gar nicht Schluss gemacht? - Der Freund von deiner Tochter? - Meine Cousine, ja richtig! - Ist sie denn schon alt genug? - 14Jahre? Und er hat Schluss gemacht? So ein ungezogener Lümmel!

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Klaus

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Die AbiFeier

Um es kurz zu sagen, wer stand im Mittelpunkt der großen Abi-Feier: unser Siegfried!
Gut, - seine Essmanieren hatten wir nicht bedacht. Den Teller hatte er sich am Buffet recht unsymmetrisch vollgehauen. Auf Gefüllte Poulardenbrust Florentin in Kräuterrahm kam die Mousse Au Chocolat zu liegen, auf dem Tafelspitz in Rotweinsoße die Lustige Quarkspeise mit Sauerkirschen. Dann schaufelte er alles nach Urwaldart mit einer einzigen Gabel in sich hinein und fand es saulecker.
Aber richtig peinlich wurde die Oskar-Verteilung nach Ergebnissen der Stufenwahl. Im Vorfeld hatten alle Schüler einen Fragebogen ausgefüllt. Zum Beispiel: wer ist der absolute Stufenclown? Der wurde natürlich auf die Bühne gerufen. Das Mädchen eilte an mir vorbei und murmelte nur: Mein Gott ist das peinlich! Auch die Fehlstundenkönigin, die Diva, der Handysüchtige, der Schleimer und die Nikotinsüchtige kamen an mir vorbei. Fast immer mit dem gleichem Text: Oh, mein Gott ist das peinlich!
Die Tochter musste auch auf die Bühne. Mit 62% der Stimmen war sie zur Öko-Tante gewählt worden. Auf der Dia-Leinwand hinter ihr sah man sie mit wallenden langen Haaren über einem grünen T-Shirt mit der Aufschrift: NATURSCHÖNHEIT.

Tochter meint übrigens, es wäre keine Lustige Quarkspeise gewesen sondern eine Luftige. Ein Druckfehler im Programmheft.



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Klaus

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