Dorothée und der fliegende Suppenmann

über den Dächern Essen City
Auf meinen Beitrag über Dorothée letzte Woche gab es vier E-Mails. Die Absender haben sich als Neulinge in meinem Tagebuch geoutet, denn sie kannten Dorothée nicht, finden sie aber so süß!
Nun, dann wollen wir heute einmal schauen, wie die erste Begegnung mit Dorothée damals verlaufen ist:
Konferenzraum ganz oben über der Stadt.
Ich war gerade mit dem Aufbau einer Präsentation zu unserem Kulturpfadfest beschäftigt, als die Tür aufging.
Das ist gewiss nicht weiter erwähnenswert, wenn zum Beispiel Kollege Edelmeyer herein marschiert wäre, vielleicht mit Kaffee anbei, oder die neue adrette Auszubildende.
Es war aber überhaupt keiner zu sehen.
Die Tür ging auf und schloss sich wieder, ohne dass eine Hand die Türklinke berührt hatte.
Wie von Geisterhand bewegt, rutschte ein Stuhl zurück.
Etwas kam auf mich zu.
Gleichzeitig knallte Holz gegen die Heizung.
Die Szene war nichts für schwache Nerven.
Blitzschnell sah ich mich um, kein einziges Fenster war zu öffnen. Allerdings hatte ich auch keinen Fallschirm anbei. Eine Flucht hinweg über die Stadt schied schon mal aus.
Ich hatte mich einmal um mich selbst gedreht, als mich etwas Hartes am Schienbein traf.
Da war nichts.
Aber hinter mir wurde wieder ein Stuhl gerückt.
Ich schoss herum - und ein Zwerg stand auf dem Tisch. Genauer gesagt ein Säugling. Blonde Locken, Stubsnase, Strampelhose. In der eindeutig Pampers steckten. Höchstens zwei Jahre alt.
"Komm da bitte, bitte vom Tisch runter!" vorsichtig näherte ich mich dem Kleinkind. Bloß nicht erschrecken! Wenn das Mädchen da herunter stürzen würde! Aber schon lief es mit tapsenden, schwankenden Schritten die Tischreihe entlang.
"Fangen!" pieste es.
"Vorsicht, mein Notebook, bleib...!"
Ich hatte die Wahl, das Notebook im freien Fall aufzufangen oder das Baby.
Dummerweise entschied ich mich für das Kind.
So konnten wir quasi in Zeitlupe sehen, wie das gute alte Dienst-Notebook kantig aufschlug und die Tasten in alle Richtungen davon spritzten.
Das Kleinkind fand das lustig, wurde aber sofort wieder ernst: "Loslassen!" befahl sie mit einem Ton, als wäre Karate kein Fremdwort für sie.
Kaum stand sie auf dem Boden, bellte sie "Name!" im original preußischen Kasernenton.
Ich nahm sofort Haltung an.
"Toret!" sagte sie und zeigte auf sich.
Oh Gott, ein Baby mit Tourette-Syndrom! Und schon ging es los: "Scheiße du!" Das Baby zeigte auf mich. Dann wieder auf sich: "Toret! - Scheiße du!"
Das Mädchen sah mich immer noch fragend an. "Name?"
Ach so, es ging um die gegenseitige namentliche Vorstellung, wie es bei zivilisierten Menschen üblich ist, die unvermittelt aufeinander prallen.
Aber meinen Namen Wittelsbach musste ich ja nicht unbedingt wildfremden Menschen anvertrauen. Also nannte ich meinen Büro-Einlog-Namen:
"Superman123! Ich Superman!"
"Suppenmann? Ich Toret! Machst du?"
"Äh, ich schließe den Beamer an das Notebook an. Aber das dürfte sich nun erledigt haben. Wir müssen hier nun aufräumen!"
"Räumen!" sagte sie kopfschüttelnd. Das Wort verband sie wohl mit negativen Erinnerungen. Aber mit zwei Jahren lassen sich Kinder noch erziehen.
"Du rückst die Stühle an die Tische ran. Ich habe gesehen, dass du dafür schon genug Kraft hast. So fein sauber an den Tisch rücken, siehst du?"
Sie rammte den Stuhl gegen die Tischkante, dass ich jetzt auch ohne Fallschirm bis Borbeck fliegen konnte. Meine Hand hatte ich leider nicht schnell genug weg gezogen.
Schon lief der kleine Wechselbalg quer unter den Tischen durch und dann räumte sie auf. Ein Stuhl nach dem anderen knallte gegen die Tischkante. Zwischendurch war immer wieder helles Kinderlachen zu hören.
Gerade als der letzte Stuhl wieder ordentlich stand, kam Cheffe rein. Mit einer Frau und Edelmeyer und vielen Kollegen.
Die Frau rannte sofort auf den Säugling zu. "Dorothée! Ich habe dich überall gesucht! Wie geht es dir! mein Liebling!" Ein Blick streifte mich, als hätte ich des Teufels Großmutter am Bart gezogen.
"Wittelsbach, wie kommst du an die Tochter von unserer Kultur-Dezernentin?" fragte Cheffe mit strengen Ton. Auch Edelmeyer sah mich sehr ernst an.
"Das Kind hat angeboten, hier aufzuräumen!" meinte ich. "Sie ist recht anstellig, inzwischen hat sie alle Stühle gerade gerückt! Und gleich werden wir das Notebook zusammen fegen!"
"Wir fegen hier gar nichts zusammen, - komm Dorothée!" Die Kulturdezernentin wollte sich ihre Tochter schnappen, doch die umklammerte mein Bein und protestierte auf Babyart. Sie fing einfach an zu heulen. Wie auf Knopfdruck. "Suppenmann! Suppenmann spielen!"
bleibe mir gewogen,
Klaus
begleitendes Tagebuch zum Film ICH AN MICH. The MAKING OF:
https://www.ICHANMICH.blogspot.com
https://www.youtube.com/user/Klauswib/videos
https://www.ich-an-mich.de/
ich-an-mich(Klammeraffe)arcor.de
Klauswitte - 31. Mär, 18:22